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Vegetarisch nach Avicenna: Geht das überhaupt?

Aber ich esse kein Fleisch – kann ich mich trotzdem nach Avicenna ernähren?“ Diese Frage höre ich als Ernährungsberaterin häufiger. Die gute Nachricht: Ja, eine vegetarische Ernährung nach Avicenna ist möglich! Die weniger gute Nachricht: Es erfordert mehr Aufmerksamkeit und Wissen über Ihr Temperament. Lassen Sie uns gemeinsam erkunden, wie vegetarische Ernährung und die Lehre Avicennas zusammenpassen.

Die Rolle von Fleisch in der Avicenna-Ernährung

Um zu verstehen, ob und wie vegetarische Ernährung funktioniert, müssen wir zunächst die Rolle von Fleisch in der traditionellen Avicenna-Lehre betrachten.

Fleisch in der klassischen Lehre:

Fleisch – insbesondere Lamm- und Geflügelfleisch – wird in der Avicenna-Medizin als sehr nahrhaft und stärkend betrachtet. Es gilt als:

  • Stark nährend für Blut und Säfte
  • Wärmend (besonders Lammfleisch)
  • Leicht verdaulich (bei richtiger Zubereitung)
  • Stärkend für schwache oder kalt-feuchte Temperamente

Aber: Fleisch ist nicht zwingend erforderlich, und es gibt in der ursprünglichen Lehre durchaus Einschränkungen. So ist Schweinefleisch grundsätzlich verboten, und auch andere Fleischsorten sollten in Maßen genossen werden.

Warum vegetarische Ernährung nach Avicenna funktionieren kann

Die Avicenna-Ernährung basiert auf einem fundamentalen Prinzip: Nahrung wird nach ihren energetischen Qualitäten (warm, kalt, feucht, trocken) bewertet – nicht nach modernen Nährstoffkategorien wie Protein, Kohlenhydrate oder Fett.

Das bedeutet: Es geht nicht darum, ob Sie Fleisch essen oder nicht, sondern darum, ob Ihre Nahrung die richtigen energetischen Qualitäten für Ihr Temperament hat.

Wichtig zu verstehen:

  • Ein kalt-feuchter Mensch braucht wärmende, trocknende Nahrung
  • Ein warm-trockener Mensch braucht kühlende, befeuchtende Nahrung
  • Diese Qualitäten können auch durch pflanzliche Nahrung erreicht werden

Die Herausforderung:
Fleisch ist besonders nährstoffdicht und hat starke wärmende Eigenschaften. Diese müssen durch pflanzliche Alternativen ersetzt werden – was durchaus möglich ist, aber Wissen erfordert.

Vegetarische Proteinquellen nach Avicenna

Protein ist nicht gleich Protein – zumindest nicht aus Sicht der Avicenna-Medizin. Jede Proteinquelle hat ihre eigenen energetischen Qualitäten.

Hülsenfrüchte: Die Proteingrundlage

Kichererbsen (warm-trocken bis neutral)

  • Sehr nahrhaft und proteinreich
  • Geeignet für: Temperamente 2, 3, 4
  • Wirkung: Wärmend, nährend, stärkend
  • Zubereitung: Mit wärmenden Gewürzen (Kreuzkümmel, Koriander, Ingwer)

Mungbohnen (warm-feucht)

  • Leicht verdaulich und ausgleichend
  • Geeignet für: Temperamente 5, 6
  • Wirkung: Nährend, aber nicht überhitzend
  • Zubereitung: Mit Ghee und sanften Gewürzen

Linsen (warm-trocken)

  • Sehr proteinreich, aber etwas trocknend
  • Geeignet für: Temperamente 3, 4
  • Wirkung: Stark wärmend und stärkend
  • Zubereitung: Mit ausreichend Flüssigkeit und Fett

Erbsen (neutral bis leicht kühlend)

  • Gut verdaulich
  • Geeignet für: Temperamente 2, 3
  • Wirkung: Nährend ohne zu überhitzen
  • Zubereitung: Mit Ghee und Gewürzen

Dicke Bohnen (leicht kühlend)

  • Protein- und nährstoffreich
  • Geeignet für: Temperament 2 (kalt-trocken)
  • Wirkung: Nährend und befeuchtend
  • Zubereitung: Mit wärmenden Gewürzen ausgleichen

Sojabohnen (kühlend, feucht)

  • Proteinreich, aber schwerer verdaulich
  • Geeignet für: Temperamente 1, 2 (in Maßen)
  • Wirkung: Nährend, aber kühlend
  • Zubereitung: Gut gewürzt mit Ingwer, Knoblauch

Milchprodukte: Wichtige Ergänzung

Wenn Sie Milchprodukte essen (Lacto-Vegetarier), haben Sie es einfacher:

Ghee (Butterschmalz) – ESSENTIELL!

  • Für alle Temperamente geeignet (1, 2, 3, 4, 5)
  • Laktosefrei und gut verdaulich
  • Unterstützt Hormonproduktion
  • Macht Nahrung bekömmlicher

Milch (kühlend, feucht)

  • Sehr nahrhaft
  • Geeignet für: Temperamente 1, 5, 6
  • Immer warm trinken, nie kalt!
  • Nicht mit saurem Obst oder Fisch kombinieren

Joghurt (kühlend, leicht sauer)

  • Proteinreich und probiotisch
  • Geeignet für: Temperament 2 (kalt-trocken)
  • Nicht für kalt-feuchte Temperamente (verschleimt)

Käse (alle Sorten)

  • Nach Absprache und Temperament
  • In Maßen genießen
  • Gut mit wärmenden Gewürzen kombinieren

Butter (kühlend, feucht)

  • Für Temperamente 1, 5, 6
  • Kann aber Ghee nicht ersetzen

Sahne, Schmand, Crème fraîche

  • Für Temperamente 5, 6
  • Reich und nährend
  • In Maßen verwenden

Eier: Das perfekte vegetarische Protein

Eier – besonders Eiweiß

  • Hervorragende Proteinquelle
  • Leicht verdaulich
  • Für alle Temperamente geeignet (mit Anpassungen)

Verwendung nach Temperament:

  • Temperament 1+6: Nur Eiweiß verwenden (Eigelb zu kühlend)
  • Temperament 2, 3, 4, 5: Ganze Eier
  • Immer mit wärmenden Gewürzen zubereiten (Ingwer, Pfeffer, Kurkuma)

Nüsse und Samen

Mandeln (warm-feucht)

  • Sehr nahrhaft
  • Geeignet für: Temperamente 5, 6
  • Am besten eingeweicht und geschält

Walnüsse (warm-trocken)

  • Proteinreich, aber schwer verdaulich
  • Geeignet für: Temperamente 3, 4
  • In Maßen genießen

Pistazien (warm-trocken)

  • Sehr nahrhaft
  • Geeignet für: Temperamente 3, 4
  • Gute Zwischenmahlzeit

Sesam (warm-trocken)

  • Reich an Nährstoffen
  • Als Paste (Tahini) oder Öl
  • Mit Vorsicht bei warmen Temperamenten

Herausforderungen der vegetarischen Ernährung nach Temperament

Herausforderung 1: Kalt-feuchte Temperamente (Temperament 1)

Das Problem:
Kalt-feuchte Menschen brauchen maximal wärmende, trocknende Nahrung. Viele vegetarische Proteinquellen sind aber eher kühlend oder feucht (Milch, Tofu, manche Hülsenfrüchte).

Die Lösung:

  • Großzügiger Einsatz von Ghee und wärmenden Gewürzen
  • Kichererbsen als Hauptproteinquelle
  • Eier (nur Eiweiß) mit vielen Gewürzen
  • Warme Milch mit Honig (nicht kalt!)
  • Alle Speisen gut gewürzt mit: Ingwer, Kardamom, Kümmel, Zimt, Nelken
  • Vermeiden: Rohkost, kalte Speisen, zu viel Joghurt, Tofu

Beispielmahlzeit:
Omelett aus Eiweiß mit Ingwer, Pfeffer, Koriander und Kreuzkümmel; dazu warmes Brot mit Ghee

Herausforderung 2: Kalt-trockene Temperamente (Temperament 2)

Das Problem:
Diese Menschen brauchen Wärme UND Feuchtigkeit. Zu trockene vegetarische Nahrung verstärkt die Trockenheit.

Die Lösung:

  • Kichererbsen und Erbsen als Hauptproteinquellen
  • Joghurt als wichtige Ergänzung
  • Reichlich Ghee verwenden
  • Saftige Zubereitungen (Eintöpfe, Currys)
  • Nüsse eingeweicht verwenden
  • Alle Speisen mit ausreichend Flüssigkeit und Fett

Beispielmahlzeit:
Kichererbsencurry mit Joghurt, Ghee und Reis; gewürzt mit Koriander, Kreuzkümmel und Ingwer

Herausforderung 3: Warm-trockene Temperamente (Temperament 3+4)

Das Problem:
Diese Menschen haben bereits viel innere Hitze. Zu wärmende vegetarische Proteine können überhitzen.

Die Lösung:

  • Linsen in Maßen
  • Kichererbsen mit kühlenden Gemüsen kombinieren
  • Eier gut gewürzt, aber nicht zu scharf
  • Pistazien und Walnüsse als Snacks
  • Ausgleichende, nicht zu heiße Gewürze (Koriander, Kurkuma)
  • Kühlende Beilagen (Joghurt bei Verträglichkeit, kühlende Gemüse)

Beispielmahlzeit:
Linsencurry mit Spinat und Tomaten, mäßig gewürzt; dazu Joghurt

Herausforderung 4: Warm-feuchte Temperamente (Temperament 5+6)

Das Problem:
Diese Menschen brauchen Balance – weder zu viel Wärme noch zu viel Kühle.

Die Lösung:

  • Mungbohnen als ideale Proteinquelle
  • Mandeln und Milchprodukte in Maßen
  • Eier mit sanften Gewürzen
  • Ausgewogene Gewürze (nicht zu scharf, nicht zu mild)
  • Leicht verdauliche Zubereitungen

Beispielmahlzeit:
Mungbohnen-Dal mit Möhren und Kürbis, gewürzt mit Ingwer, Koriander und Kurkuma; dazu Reis

Praktische Tipps für vegetarische Avicenna-Ernährung

1. Ghee ist unverzichtbar

Wenn Sie nur eine Sache aus diesem Artikel mitnehmen, dann diese: Verwenden Sie großzügig Ghee!

Ghee ist:

  • Für alle Temperamente geeignet
  • Laktosefrei
  • Hormonunterstützend
  • Verdauungsfördernd
  • Macht Nahrung bekömmlicher

Ohne Ghee wird vegetarische Avicenna-Ernährung sehr schwierig, besonders für kalte Temperamente.

2. Gewürze sind Ihre besten Freunde

Gewürze können die energetischen Qualitäten von Nahrung verändern:

Wärmende Gewürze (für kalte Temperamente):

  • Ingwer, Zimt, Nelken, Kardamom, Kreuzkümmel, Pfeffer

Ausgleichende Gewürze (für alle):

  • Koriander, Kurkuma, Fenchel

Kühlende Gewürze (für warme Temperamente, mit Vorsicht):

  • Pfefferminze (in Tees)

3. Richtige Zubereitung ist entscheidend

Hülsenfrüchte:

  • Über Nacht einweichen (mit Gewürzen)
  • Mit Ghee kochen
  • Großzügig würzen
  • Gut durchgaren

Milchprodukte:

  • Milch immer warm trinken
  • Joghurt nicht direkt aus dem Kühlschrank
  • Käse mit wärmenden Gewürzen kombinieren

Eier:

  • Mit Gewürzen verquirlen
  • In Ghee braten
  • Warm servieren

4. Kombinationen beachten

Gute Kombinationen:

  • Hülsenfrüchte + Getreide (z.B. Linsen + Reis)
  • Eier + Gemüse + Gewürze
  • Nüsse + Honig + Gewürze
  • Joghurt + Honig (nicht erhitzt!)

Schlechte Kombinationen (vermeiden!):

  • Milch + Säure (Zitrone, Essig)
  • Milch + Fisch (für Vegetarier irrelevant)
  • Joghurt + heiße Speisen (Joghurt nicht erhitzen)

5. Proteinmenge anpassen

Als Vegetarier müssen Sie möglicherweise häufiger proteinreiche Mahlzeiten essen als Fleischesser, da pflanzliches Protein weniger dicht ist.

Aber: Behalten Sie die 6-Stunden-Regel bei! Planen Sie Ihre Mahlzeiten so, dass sie ausreichend sättigend sind.

Vegane Ernährung nach Avicenna: Die größte Herausforderung

Vegane Ernährung (ohne jegliche tierische Produkte) ist nach Avicenna möglich, aber sehr anspruchsvoll – besonders für kalte Temperamente.

Die Herausforderungen:

  • Kein Ghee (muss durch hochwertige pflanzliche Fette ersetzt werden)
  • Keine Milchprodukte (wichtige Proteinquelle fällt weg)
  • Keine Eier (leicht verdauliches Protein fällt weg)
  • Viele pflanzliche Alternativen sind stark verarbeitet (passt nicht zur Avicenna-Philosophie)

Mögliche Lösungen für Veganer:

Fette:

  • Kokosfett (neutral bis leicht wärmend)
  • Sesamöl (wärmend, aber vorsichtig dosieren)
  • Olivenöl (für warme Temperamente)

Proteine:

  • Hülsenfrüchte in großer Vielfalt
  • Nüsse und Samen (eingeweicht)
  • Sojaprodukte mit sehr viel Vorsicht und Gewürzen

Herausforderung für kalt-feuchte Temperamente:
Vegane Ernährung ist für kalt-feuchte Menschen (Temperament 1) extrem schwierig, da fast alle veganen Proteinquellen eher kühlend wirken. Wenn Sie dieses Temperament haben und vegan leben möchten, brauchen Sie professionelle Begleitung.

Nahrungsergänzung: Ja oder Nein?

Die Avicenna-Lehre kennt keine Nahrungsergänzungsmittel im modernen Sinne. Der Fokus liegt auf ganzen, natürlichen Lebensmitteln.

Aber: Wenn Sie vegetarisch oder vegan leben, können bestimmte Nährstoffe knapp werden (z.B. Vitamin B12 bei Veganern). Dies ist ein modernes Problem, das Avicenna nicht kannte.

Empfehlung:
Lassen Sie Ihre Blutwerte regelmäßig kontrollieren und ergänzen Sie bei nachgewiesenem Mangel. Das widerspricht nicht der Avicenna-Philosophie, sondern ergänzt sie sinnvoll.

Erfolgreiche vegetarische Avicenna-Ernährung: Die Checkliste

✓ Ghee verwenden (oder hochwertiges pflanzliches Fett bei Veganern)
✓ Hülsenfrüchte richtig zubereiten (einweichen, mit Gewürzen kochen)
✓ Großzügig würzen (besonders wichtig ohne Fleisch!)
✓ Eier nutzen (wenn nicht vegan)
✓ Milchprodukte temperamentgerecht einsetzen
✓ Nüsse und Samen einweichen
✓ Nie kalt essen (alles warm oder Raumtemperatur)
✓ 6-Stunden-Regel einhalten
✓ Auf Ihr Temperament achten
✓ Professionelle Beratung in Anspruch nehmen

Fazit: Vegetarisch nach Avicenna – mit Wissen und Achtsamkeit

Ja, vegetarische Ernährung nach Avicenna ist möglich! Sie erfordert aber mehr Wissen, mehr Aufmerksamkeit und mehr Kreativität als eine Ernährung mit Fleisch.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren:

  1. Kennen Sie Ihr Temperament – Das ist die Grundlage für alles
  2. Verwenden Sie Ghee – Unverzichtbar für gute Verdauung
  3. Würzen Sie großzügig – Gewürze gleichen vieles aus
  4. Variieren Sie Ihre Proteinquellen – Nicht nur Tofu!
  5. Beobachten Sie sich selbst – Wie fühlen Sie sich nach dem Essen?

Wenn Sie diese Prinzipien befolgen, können Sie die Weisheit Avicennas mit einer vegetarischen oder sogar veganen Lebensweise verbinden – und das Beste aus beiden Welten genießen.

Der ultimative Test: Wenn Sie sich nach dem Essen energiegeladen und erfrischt fühlen (nicht müde!), machen Sie alles richtig – egal ob mit oder ohne Fleisch.

Wichtiger Hinweis: Vegetarische Ernährung braucht individuelle Anpassung

Bitte beachten Sie: Vegetarische oder vegane Ernährung nach Avicenna ist anspruchsvoll und erfordert besonders viel individuelle Anpassung. Die in diesem Artikel genannten Empfehlungen sind allgemeine Richtlinien, die je nach Ihrem persönlichen Temperament stark variieren können.

Besonders wichtig für Vegetarier und Veganer:

  • Die richtige Auswahl pflanzlicher Proteinquellen hängt maßgeblich von Ihrem Temperament ab
  • Die Gewürzmenge und -art muss individuell angepasst werden, um fehlende wärmende Eigenschaften von Fleisch auszugleichen
  • Kalt-feuchte Temperamente haben es besonders schwer mit rein pflanzlicher Ernährung
  • Die Balance zwischen wärmenden und kühlenden Elementen ist ohne tierische Produkte komplexer

Eine professionelle, persönliche Ernährungsberatung ist für vegetarische/vegane Avicenna-Ernährung dringend empfohlen. Nur so können Sie sicherstellen, dass Sie alle benötigten Nährstoffe erhalten und Ihr Temperament im Gleichgewicht bleibt.

Versuchen Sie nicht, vegetarische Avicenna-Ernährung allein anhand von Artikeln oder Büchern umzusetzen – die Gefahr von Fehlernährung ist zu groß. Lassen Sie sich individuell beraten!

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