Sie verstecken sich in Pommes, Keksen und Fast Food – und sind für jährlich eine halbe Million Todesfälle verantwortlich: Transfette gelten als die gefährlichsten Fette in unserer Nahrung. Seit April 2021 gilt in der EU endlich ein Grenzwert. Doch die Gefahr ist noch nicht gebannt.
Was sind Transfette und wie entstehen sie?
Transfette sind ungesättigte Fettsäuren in einer besonderen chemischen Konfiguration – der sogenannten trans-Konfiguration. Anders als natürliche ungesättigte Fettsäuren, die einen „Knick“ in ihrer Molekülstruktur haben (cis-Konfiguration), sind Transfette linear und gerade aufgebaut. Diese scheinbar kleine strukturelle Veränderung hat dramatische Auswirkungen auf ihre biologische Wirkung im menschlichen Körper.
Transfete entstehen hauptsächlich bei der industriellen Härtung von Pflanzenölen. Dabei wird aus flüssigem Öl ein schmierfähiges, streichfestes Fett hergestellt – ein Prozess, der ursprünglich entwickelt wurde, um die Haltbarkeit zu verlängern und die Textur von Lebensmitteln zu verbessern.
Der Härtungsprozess im Detail:
- Unter hohem Druck wird Wasserstoff an ungesättigte Fettsäuren angelagert
- Dabei verändert sich die molekulare Struktur von der natürlichen cis- zur trans-Konfiguration
- Das Ergebnis: ein festes, haltbares Fett mit veränderten biologischen Eigenschaften
Transfette entstehen auch beim Erhitzen von Ölen – besonders problematisch:
- Temperatur: Pflanzliche Öle mit hohem Gehalt an ungesättigten Fettsäuren können bereits ab 130°C in Transfette umgewandelt werden
- Dauer: Je länger die Erhitzung, desto mehr Transfette entstehen
- Wiederverwendung: Mehrfaches Erhitzen des gleichen Öls, wie in Fritteusen üblich, potenziert das Problem
Die dramatischen Gesundheitsrisiken
Laut Weltgesundheitsorganisation sterben jedes Jahr weltweit eine halbe Million Menschen an koronarer Herzkrankheit, die durch den Konsum von Trans-Fettsäuren verursacht wird.
Wie Transfette das Herz schädigen:
- LDL-Cholesterin steigt: Das „schlechte“ Cholesterin wird erhöht
- HDL-Cholesterin sinkt: Das „gute“ Cholesterin wird reduziert
- Doppelt negative Wirkung: Im Gegensatz zu anderen Fetten verschlechtern Transfette beide Cholesterinwerte gleichzeitig
Studien belegen einen negativen Einfluss von Transfetten auf die Herzgesundheit. Wer viele Transfette konsumiert, erhöht hierdurch sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf das Zweieinhalb- bis Zehnfache.
Wissenschaftlich belegte Zusammenhänge:
- Diabetes Typ 2: Erhöhtes Risiko für Insulin-Resistenz
- Entzündungen: Förderung chronischer Entzündungsprozesse im Körper
- Übergewicht: Besonders viszerales Fett um innere Organe
- Fettstoffwechselstörungen: Beeinträchtigung des gesamten Lipidstoffwechsels
Studien deuten zudem darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen einem hohen Konsum an Transfetten und der Entstehung von Allergien, Diabetes mellitus Typ 2 und Darmerkrankungen gibt.
EU-Grenzwerte: Der Wendepunkt seit 2021
Seit dem 2. April 2021 dürfen in der EU Lebensmittel aufgrund der Verordnung (EU) 2019/649 nur noch in den Handel gelangen, wenn sie unter 2 g industrielles Transfett pro 100 g Fett enthalten.
Wichtige Eckpunkte der EU-Verordnung:
- Grenzwert: Maximal 2 Gramm industriell hergestellte Transfette pro 100 Gramm Fett
- Geltungsbereich: Gilt für Lebensmittel für Endverbraucher und Einzelhandel
- Ausnahme: Natürliche Transfette aus tierischen Produkten sind ausgenommen
- Übergangsfrist: Lebensmittel, die vor April 2021 produziert wurden, durften noch verkauft werde
Bereits vor der EU-Regelung hatten einige Länder strenge Gesetze erlassen:
- Dänemark: Seit 2003 Grenzwert von unter 2% in Nahrungsfetten
- USA: 2015 generelles Verbot künstlicher Transfette beschlossen
- New York/Philadelphia: Komplettes Verbot in Restaurants seit 2008
Transfette erkennen und vermeiden
Hochrisiko-Lebensmittel:
- Fast Food: Pommes, Burger, frittierte Produkte
- Backwaren: Croissants, Berliner, Kekse, Blätterteig
- Knabbereien: Chips, Flips, Popcorn
- Fertiggerichte: Pizza, Fertigsuppen, Bratensaucen
- Süßwaren: Industriell hergestellte Schokolade und Süßigkeiten
Da es keine direkte Kennzeichnungspflicht für Transfette gibt, müssen Verbraucher auf Umschreibungen achten:
- „Pflanzliches Fett, zum Teil gehärtet“
- „Ungesättigte Fettsäuren, enthält gehärtete Fette“
- „Teilweise gehärtet“ oder „hydrogeniert“
Ganz vermeiden lässt sich das Industriefett nur schwer, denn es besteht in Deutschland und der EU im Gegensatz zu den Mono- und Diglyceriden der Speisefettsäuren (E471) keine Kennzeichnungspflicht für Transfettsäuren.
Natürliche vs. industrielle Transfette
Nicht alle Transfette sind gleich gefährlich. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen:
Natürliche Transfette (r-TFA):
- Entstehen im Pansen von Wiederkäuern
- In Milch, Käse, Butter und Rindfleisch enthalten
- 2011 lieferte eine Metastudie keine Hinweise für ein signifikant erhöhtes Risiko einer koronaren Herzkrankheit durch die Aufnahme natürlicher Transfette.
Industrielle Transfette (i-TFA):
- Durch chemische Härtung oder Erhitzung entstanden
- Deutlich gesundheitsschädlicher
- Ziel der EU-Regulierung
Der Verzehr von TFA aus Wiederkäuerfett liegt in Deutschland weit unterhalb der Mengen, für die unerwünschte Effekte auf kardiovaskuläre Risikoparameter nachgewiesen wurden.
Sichere Öle und Fette für die Küche
Geeignet für hohes Erhitzen (Rauchpunkt über 180°C):
- Butterschmalz/Ghee: Rauchpunkt bis 250°C, keine Transfett-Bildung
- Kokosfett: Rauchpunkt 185-205°C, stabile gesättigte Fettsäuren
- Raffinierte Öle: Mais-, Sonnenblumen-, Erdnuss-, Rapsöl (über 160-180°C)
- Natives Olivenöl extra: Neueste Erkenntnisse zeigen höhere Stabilität als gedacht
Eher ungeeignet für hohe Temperaturen:
- Kaltgepresstes Rapsöl
- Weizenkeimöl
- Leinöl und andere Öle mit hohem Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren
Praktische Küchentipps:
- Rauchpunkt beachten: Öl sollte niemals zu qualmen beginnen
- Einmalverwendung: Frittierfett niemals mehrmals verwenden
- Temperaturkontrolle: Pfanne nicht zu heiß werden lassen
- Frische Öle verwenden: Alte, ranzige Öle meiden
Empfehlungen der Gesundheitsorganisationen
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, nicht mehr als ein Prozent der Nahrungsenergie aus Transfetten zu konsumieren. Das sind bei einem erwachsenen Mann etwa 2,5 Gramm.
Die Weltgesundheitsorganisation hat 2018 das Programm „REPLACE“ gestartet mit dem Ziel, industriell hergestellte Transfette bis 2023 weltweit zu eliminieren. Die sechs Schritte:
- Review: Überprüfung der Transfett-Quellen
- Promote: Förderung gesünderer Alternativen
- Legislate: Gesetzgebung für Grenzwerte
- Assess: Bewertung der Fortschritte
- Create: Schaffung von Bewusstsein
- Enforce: Durchsetzung der Maßnahmen
Erfolge und verbleibende Herausforderungen
Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass der Gehalt von trans-Fettsäuren in Lebensmitteln auf dem deutschen Markt rückläufig ist und so zunehmend an Bedeutung verliert.
Messbare Fortschritte:
- Deutliche Reduktion in Margarinen durch moderne Herstellungsverfahren
- Rückgang in Backwaren und Fertigprodukten
- Erhöhtes Bewusstsein in der Lebensmittelindustrie
Zu etwa 74 Prozent entstammten Proben mit Transfett-Anteilen von über 2 Gramm pro 100 g Fettanteil aus Erzeugnissen mit Milchfett. „Die Trans-Fettsäuren dieser Lebensmittel sind von der neuen Grenzwertregelung nicht erfasst, da sie natürlichen Ursprungs sind“
Herausforderungen:
- Fehlende Transparenz bei der Kennzeichnung
- Unterschiedliche Standards weltweit
- Kontrolle der Einhaltung der Grenzwerte
- Aufklärung der Verbraucher
Fazit: Der Weg zu einer transfettfreien Ernährung
Was Verbraucher tun können
- Frisch kochen: Selbst zubereiten statt Fertigprodukte
- Zutatenlisten lesen: Auf „gehärtete“ Fette achten
- Richtig braten: Geeignete Fette für hohe Temperaturen verwenden
- Fast Food reduzieren: Pommes, Burger und frittierte Produkte begrenzen
- Bewusst einkaufen: Qualität vor Quantität
Die EU-Verordnung von 2021 war ein wichtiger Schritt, aber kein Endpunkt. Weltweit sind laut WHO immer noch 5 Milliarden Menschen nicht vor den gesundheitlichen Folgen von Trans-Fettsäuren geschützt.
Zukünftige Entwicklungen:
- Weitere Verschärfung der Grenzwerte möglich
- Bessere Kennzeichnungspflichten gefordert
- Internationale Harmonisierung der Standards
- Entwicklung transfett-freier Herstellungsverfahren
Die Bekämpfung der Transfette zeigt exemplarisch, wie wissenschaftliche Erkenntnisse, politische Regulierung und Verbraucherbewusstsein zusammenwirken können, um die öffentliche Gesundheit zu verbessern. Jeder einzelne kann durch bewusste Entscheidungen dazu beitragen, das Risiko zu minimieren – für sich selbst und als Signal an die Lebensmittelindustrie.
Die Botschaft ist klar: Transfette sind vermeidbar, und ihre Reduktion ist einer der wirksamsten Schritte für eine herzgesunde Ernährung.