Jahrzehntelang galten Eier und cholesterinreiche Lebensmittel als Gefahr für das Herz. Jetzt vollziehen sich sowohl in den USA als auch in der Wissenschaft dramatische Wendungen: Cholesterin aus der Nahrung wird rehabilitiert – und neue Studien zeigen sogar schützende Effekte des täglichen Eier-Konsums.
USA streichen Cholesterin-Warnung aus Ernährungsempfehlungen
Mindestens zwei Eier am Tag? Schlecht fürs Herz. Jahrzehntelang warnten Ärzte vor dem übermäßigen Verzehr von cholesterinhaltigen Speisen. Jetzt machen die USA eine Kehrtwende – und streichen den Passus aus ihren Ernährungsempfehlungen.
Rühreier zum Frühstück gehören für viele Menschen in den USA auf den Speiseplan – ungeachtet der offiziellen Warnung vor dem übermäßigen Verzehr cholesterinreicher Speisen. Schließlich erhöht der Stoff das Risiko für verkalkte Arterien und damit für Herzinfarkt und Schlaganfall, wenn er in größeren Mengen im Blut vorkommt.
Jetzt aber machen US-Experten in ihren Empfehlungen eine Kehrtwende: Sie schätzen Cholesterin aus Lebensmitteln nicht mehr als Gefahr für die menschliche Gesundheit ein. Künftig soll in den offiziellen Ernährungsratschlägen des Landes nicht mehr vor Speisen mit hohem Cholesteringehalt gewarnt werden.
Das geht aus einem Entwurf für das Papier hervor, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Vorliegende Erkenntnisse ließen „keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen dem Cholesterin in Lebensmitteln und dem Cholesterinspiegel“ im Blut erkennen, erklärte das US-Landwirtschaftsministerium dazu. In dem Entwurf heißt es deshalb nun sinngemäß: Cholesterin ist kein Problem-Nährstoff.
Zwei kleine Eier oder ein 300-Gramm-Steak
Bisher steht in den Ernährungsleitlinien die Empfehlung, täglich nicht mehr als 300 Milligramm Cholesterin zu sich zu nehmen, was in etwa dem Gehalt von gut hundert Gramm Butter oder zwei kleinen Eiern oder einem 300 Gramm schweren Steak entspricht.
Stark cholesterinhaltige Lebensmittel, davon gingen Experten zuvor aus, erhöhen auch den Cholesterinspiegel im Blut – und damit das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Inzwischen konnten zahlreiche Studien diesen Zusammenhang jedoch widerlegen. Spezielle Mechanismen verhindern, dass der Körper zu viel Cholesterin ins Blut aufnimmt. Es sei – zumindest als gesunder Mensch – quasi unmöglich, Cholesterin über die Nahrung überzudosieren, sagt Christian Prinz, Direktor der Helios Klinik für Gastroenterologie in Wuppertal.
Im Entwurf für die diesjährige Neufassung der US-Ernährungsratschläge heißt es nun, Cholesterin gehöre nicht zu den Nährstoffen, deren übermäßiger Konsum bedenklich sei. Das Papier wurde von 14 renommierten Medizinern, Ernährungs– und Gesundheitsexperten entworfen. Es steht nun 45 Tage lang im Internet zur Debatte, bevor es endgültig verabschiedet wird. Zudem soll es im März eine öffentliche Konferenz dazu geben.
Gesättigte Fettsäuren bleiben problematisch?
Zum Problem bei bestimmten Lebensmitteln dürfte allerdings werden, dass stark cholesterinhaltige Produkte oft auch viele gesättigte Fettsäuren enthalten, vor deren übermäßigem Konsum wiederum noch eindringlicher gewarnt werden soll. Bisher empfahlen US-Experten, dass nicht mehr als zehn Prozent der täglich verzehrten Kalorien gesättigte Fettsäuren sein sollten. Der Wert soll nun auf acht Prozent gesenkt werden.
Bei einer durchschnittlichen Aufnahme von 2000 Kilokalorien am Tag würde dies bedeuten, dass hinsichtlich der gesättigten Fettsäuren bereits nach geringen Mengen Butter oder einem 200-Gramm-Steak Schluss wäre. Der Verzehr von einem Dutzend Eier pro Tag schadet nach dieser Rechnung nicht. Generell machen die Experten den US-Bürgern aber einen anderen Vorschlag. Dieser lautet schlicht, mehr Obst und Gemüse zu essen.
Dass gestättigte Fettsäuren im richten Maß gesundheitsförderlich sind, kannst du in unserem Blogbeitrag „Gesättigte Fettsäuren sind gesund!“ nachlesen.
Das verflixte Ei pro Tag: Neue Studien zeigen Schutzeffekt
Das in Eiern enthaltene Cholesterin führt zu einem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. So die inzwischen überholte Meinung von Ernährungsexperten. Jetzt zeigt eine neue Studie das Gegenteil: Täglicher Ei-Genuss soll das Risiko sogar senken.
Während Ärzte und Wissenschaftler vor einigen Jahren noch zur Zurückhaltung beim Ei-Verzehr mahnten, rückt das tägliche Frühstücks-Ei seit geraumer Zeit in ein immer besseres Licht. Experten sind sich zwar einig, dass erhöhtes Gesamtcholesterin und vor allem erhöhtes LDL-Cholesterin im Blut das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht. Umstritten ist jedoch, wie stark cholesterinhaltige Lebensmittel wie Eier den Cholesterinspiegel im Blut beeinflussen. Laut einer neuen Studie, die im Journal Heart veröffentlicht wurde, soll der tägliche Eikonsum sogar vor kardiovaskulären Erkrankungen schützen.
Jeden Tag ein Ei: Die China-Kadoorie-Biobank-Studie
Die Forscher von der Beijing University werteten Daten aus der CKB-Studie (China-Kadoorie-Biobank) aus, an der rund eine halbe Million (512.891) Menschen zwischen 30 und 79 Jahren teilnahmen. Die Probanden wurden zwischen 2004 und 2008 aus 10 Regionen in China rekrutiert und nach ihrem Eierkonsum befragt. In den folgenden neun Jahren erfassten die Forscher die Morbidität und Mortalität.
Probanden, die zu Studienbeginn an Krebs, Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen litten, schlossen die Forscher in ihrer Studie aus. Unter den übrigen 461.213 Teilnehmern dokumentierten die Forscher 83.977 Fälle mit kardiovaskulären Erkrankungen und 9.985 Todesfälle aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen sowie 5.103 schwere koronare Ereignisse.
Von den Teilnehmern gaben 13,1 Prozent an, täglich Eier zu konsumieren (durchschnittlich 0,76 Eier/Tag). 9,1 Prozent berichteten, nie oder sehr selten Eier zu essen (durchschnittlich 0,29 Eier/Tag). Die Forscher berücksichtigten in ihrer Analyse auch andere Einflussfaktoren auf die Herzgesundheit wie z.B. sportliche Aktivität, BMI, Rauchen und Alkoholkonsum.
Ei-Liebhaber seltener herzkrank
Die Analyse der Ergebnisse zeigte überraschende Befunde: Täglicher Eiverzehr war mit einem geringeren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen verbunden, im Vergleich zu Probanden, die nie oder selten Eier zu sich nahmen (Hazard Ratio (HR) 0,89, 95% Konfidenzintervall (CI) 0,87 – 0,92).
Die wichtigsten Ergebnisse im Detail:
- Das Risiko eines kardiovaskulären Todesfalls verringerte sich durch den täglichen Verzehr um 18 Prozent (HR 0,82, 95 % CI 0,75 – 0,89)
- Das Risiko eines hämorrhagischen Schlaganfalls war um 26 Prozent geringer (HR 0,74, 95 % CI 0,67 – 0.82)
- Das Risiko, an einem Schlaganfall zu sterben, verringerte sich bei täglichem Ei-Konsum um 28 Prozent (HR 0,72, 95 % CI 0,62 – 0,84)
- Das Risiko einer ischämischen Herzerkrankung sank um 12 Prozent (HR 0,88, 95 % CI 0,84 – 0,93)
Deutsche Gesellschaft für Ernährung vollzieht Kehrtwende
Dass vom Verzehr von Eiern keine große gesundheitliche Gefahr ausgeht, hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) inzwischen anerkannt. Bis vor kurzem hieß es in ihren Ernährungsempfehlungen noch, dass der Verzehr von Eiern (inkl. Eiern in Nudeln und Saucen) auf zwei- bis dreimal die Woche beschränkt werden sollte. In der überarbeiteten Version haben die Experten diesen Warnhinweis nun gestrichen.
Fazit: Paradigmenwechsel in der Ernährungswissenschaft
Eine Stärke der chinesischen Studie ist die Größe der Studienpopulation mit fast einer halben Million Teilnehmern. Dieser Aspekt sowie die Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren deuten darauf hin, dass täglicher Eiverzehr tatsächlich mit geringeren Risiken für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert ist. Wie bei allen Kohortenstudien ist ein kausaler Zusammenhang damit jedoch nicht bewiesen. Die Autoren verweisen darauf, dass ihre Studie wissenschaftliche Beweise für Ernährungsrichtlinien in Hinblick auf den Verzehr von Eiern beisteuert.
Der Wandel in den Ernährungsempfehlungen – von den USA über Deutschland bis hin zu aktuellen Forschungsergebnissen aus Asien – zeigt einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der Ernährungswissenschaft. Nach Jahrzehnten der Warnung vor cholesterinreichen Lebensmitteln setzen sich nun evidenzbasierte Erkenntnisse durch, die das Ei von seinem schlechten Ruf befreien.
Die Botschaft ist klar: Gesunde Menschen müssen sich keine Sorgen über den Cholesteringehalt ihrer Nahrung machen. Der Körper reguliert den Cholesterinspiegel selbst, und cholesterinreiche Lebensmittel wie Eier scheinen bei gesunden Menschen sogar schützende Effekte zu haben. Die Aufmerksamkeit sollte stattdessen auf eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse sowie der Vermeidung von übermäßig verarbeiteten Lebensmitteln liegen.